Ein alltägliches Ereignis: Ich werde – dank @phwampfler – aufmerksam auf Unterrichtsvorschläge zum Thema Facebook: „Ist ein Freund noch ein Freund?“, welche eine Universitätsprofessorin macht. Ich sehe sie mir an und denke: Das könnte einen Kollegen interessieren, der als Fachdidaktiker für Deutsch Gymnasiallehrkräfte ausbildet. Denn die Vorschläge scheinen mir gut geeignet, um sie in verschiedener Hinsicht zu besprechen; zum Beispiel:
- Sind sie umsetzbar? Probieren wir sie aus!
- Wie soll sich der Deutschunterricht an einem Gymnasium mit Social Media befassen, zB. mit Facebook? Sind die vorliegenden Vorschläge günstig?
- Das Thema „Freundschaft“ im DU: Und wenn man den Bezug zu Facebook wegliesse?
Also sende ich sie ihm.
Postwendend seine Antwort. Auszug:
„Was mich (unter anderem) von NN unterscheidet, die nach vielen Jahren Forschung ausschliesslich zu sms nun offenbar facebook drannimmt, ist, dass ich meinen Unterricht nicht als Anpassung (Anbiederung?) an das begreife, womit die S und die Zeit sich unmittelbar und auf allen Kanälen sowieso beschäftigen.“
Unterricht als „Anpassung (Anbiederung?) an das, womit die SuS und die Zeit sich unmittelbar und auf allen Kanälen sowieso beschäftigen“ – dass mein Kollege die erwähnten Vorschläge so sehen könnte, überrascht mich ungemein. Umso mehr, als
- mittlerweile sogar in Lehrplandiskussionen darauf hingewiesen wird, dass medienpädagogische Aspekte im heutigen Schulunterricht unbedingt berücksichtigt werden sollten
- aktuelle Publikationen und Angebote vorliegen, welche Lehrpersonen auf griffige Weise auf den „Stand der Dinge“ bringen (erwähnt seien als Beispiele die Bücher von Philippe Wampfler und das aktuelle Projekt „MedienFalle“ aus dem Baselbiet)
- Lernen heute „im digitalen Klimawandel“ stattfindet, wie @martinlindner findet.
Unterricht soll sich also nicht an das „anpassen“ resp. „anbiedern“, womit sich Schülerinnen und Schüler „sowieso beschäftigen“. Einverstanden bezüglich der Verben. Aber könnte er sich vielleicht zumindest dafür interessieren? Müsste er das nicht sogar?
Welche Haltung sollen Lehrpersonen entwickeln bezüglich der Lebenswelt der Lernenden, also bezüglich dessen, womit diese sich „unmittelbar und auf allen Kanälen beschäftigen“?
Philippe Wampfler schreibt in seinem Buch „Generation ‘Social Media’“:
„In der Schule gibt es Zeit, über Lernen, Lehren und Technologie nachzudenken: Nicht vorgeben, alte Rezepte seien nicht zu verbessern, weil es alte Rezepte sind. Nicht annehmen, neue Hilfsmittel würden eine neue Lern- und Lehrkultur etablieren. Sondern ausprobieren, nachdenken, wieder probieren, wieder nachdenken. Vorgaben hinterfragen, Praktiken hinterfragen, Technik hinterfragen. Was nicht funktioniert, verwerfen; was funktioniert, verbessern. Immer aus der Perspektive derer, die lernen. Ihre Bedürfnisse kommen zuerst.“ (136)
Auf der Website zum Buch liest man:
„Es soll auch ein Anstoss sein, Urteile nicht aus der Perspektive der eigenen, erwachsenen Mediennutzung zu fällen, sondern die Bedürfnisse und Perspektiven Jugendlicher ernst zu nehmen.“
Das würde ich mir wünschen.